Deutsche Übersetzung des Community Interviews mit Miles Tost, Teil 1
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englisches Original
Wie heißt du? Wo kommst du her?
Mein neuester Spitzname ist „Mr. Deutsch“, I würde aber gerne bei meinem eigentlichen Namen bleiben – Miles Tost. Ich komme aus einer Kleinstadt in Norddeutschland.
Wie lange arbeitest du schon für CD Projekt RED? Wie bist du auf CDPR gestoßen und wie kam es dazu, dass du angefangen hast, dort zu arbeiten?
Ich arbeite dort sei Januar 2013. Zum ersten Mal von ihnen gehört habe ich, als ich Witcher 2 gespielt habe direkt nachdem es veröffentlicht wurde (es wurde mir von Freunden empfohlen und so habe ich es zum Release gekauft) und ich das Spiel wirklich mochte. Das erste Spiel habe ich dann letztendlich erst gespielt, nachdem ich dort angefangen hatte zu arbeiten, wie ich zu meiner Schande gestehen muss. Seither habe ich es auch geschafft, die Bücher zu lesen. Zum ersten Mal getroffen habe ich CDPR bei Quo Vadis, einer deutschen Konferenz für Videospielentwickler in Berlin und als ich einige der Leute von CPDR dann am Stand der Gamescom 2012 erneut getroffen habe, habe ich mich dann auch endlich dort beworben.
Wie bist du zum Leveldesign gekommen? Ist CDPR das erste Entwicklerstudio, für das du gearbeitet hast?
So…große Enthüllung: ich mag Videospiele. Sehr. Eine Sache, dich mich schon immer fasziniert hat, war wie gut konstruierte Level bestimmte Aussagen zum Spiel machen können ohne Worte benutzen zu müssen (wie Mechaniken funktionieren, wohin man gehen, sogar komplette Nebenstränge einer Handlung). Es ist ziemlich psychologisch, wenn man mal darüber nachdenkt, und es macht das Erstellen eines Levels fast zu einem eigenen Puzzle für den Designer. Darüber hinaus habe ich auch viele Echtzeitstrategietitel gespielt, wie etwa WarCraft 3, für das ich dann auch viele Mods erstellt habe (auch für andere Spiele, aber für keins derart fokussiert), mit denen ich der Frage nachgegangen bin, wie ich die Spielerfahrung verbessern könnte, indem ich die ursprünglichen Spielmechaniken nur minimal verändere aber gleichzeitig auch große Änderungen vollziehe oder sogar komplett neue Maps erstelle. Ich spielte diese abgeänderten Maps auf LAN-Parties mit meinen Freunden, um dadurch herauszufinden, wie sie auf einige dieser Änderungen reagierten. Manchmal ging es gut…manchmal eher weniger.
Hast du schon immer als Leveldesigner arbeiten wollen? War das schon immer dein Traumjob?
Ich wusste es nicht, bevor ich richtig angefangen hatte, hier zu arbeiten. Ich wusste, dass ich die Erstellung virtueller Welten generell sehr mochte aber ich hatte auch schon immer viel für den technischen und psychologischen Faktor übrig, die Sphäre der Spieleentwicklung. Wie schaffe ich es, dass ein Spieler diesen Weg nehmen will ohne diesen anderen Weg anbieten zu müssen? Wie erreiche ich es, dass er diese Fähigkeit nutzt ohne es ihm direkt erzählen zu müssen? Ich dachte immer, dass die Arbeit eher einem zweier Extremen entspräche: entweder man arbeitet als Künstler oder man erstellt Skizzen und erfüllt technische Aufgaben wie das tagtägliche Erstellen von Computerskripts. Daher habe ich mir über Leveldesign nie wirklich Gedanken gemacht, weil ich ein wenig von beidem machen wollte. Ich bin selbst kein wirklich herausragender Programmierer (auf gehts!), aber ich wollte auch nicht ausschließlich Kunst produzieren um sie dann so zu implementieren, wie es mir gesagt wurde. Ich weiß, dass es in anderen Studios genau so abläuft, daher kannst du dir kaum vorstellen, wie aufgeregt ich war, dass ich das Beste beider Welten bei CDPR machen konnte. Diese Aufregung wurde nur von der Aufregung übertroffen, die ich verspürt habe, als ich tatsächlich hier anfangen konnte.
Was beinhaltet die Rolle als Leveldesigner? Was machst du genau?
Ich sehe mich selbst in einer Art Brückenposition zwischen den Künstlern für Umgebungen und den Spiel- und Questdesigner. Während bei CDPR die Künstler für Umgebungen Dinge atemberaubend gut aussehen lassen und Spieldesigner attraktive Mechaniken entwickeln, versuche ich Form und Funktion zusammenzuführen. Es ist wirklich sehr abwechslungsreich, abhängig davon, wo wir uns gerade in der Entwicklung befinden. Zu Beginn erstellten wir viele Maps der Unterregionen der Welt, legten Charakteristiken fest und stellten sicher, dass die verschiedenen interessanten Örtlichkeiten der Welt einem konsistenten Gesamtansatz folgen. An einem Tag erstelle ich Schauplätze in der Engine oder arbeite sie aus, forme Berge, Wälder oder Steine um ein Lagerfeuer herum. An einem anderen Tag zerbreche ich mir den Kopf darüber, warum der Spieler den Gegenstand nicht finden kann, den er eigentlich finden sollte und wiederum an einem anderen Tag helfe ich NPCs dabei, nicht gegen Objekte zu stoßen, indem ich an unserer Navmesh arbeite, oder ich stelle sicher, dass alle Türen in der Welt entweder wie geplant verschlossen oder unverschlossen sind. Und dazwischen noch viele andere Dinge. Ich kann mich sogar an eine Zeit erinnern, in der ich fast zum Designer von Innenräumen geworden wäre.
Wie ist ein Leveldesigner mit den Mitgliedern anderer Teams im Studio abgestimmt? Welches Team arbeitet am meisten oder nächsten mit dem Team für Leveldesign zusammen?
Schwer zu sagen, mit wem das Level Design Team am nächsten zusammen arbeitet. Künstler für Umgebungen sind, wie die Leveldesigner, Teil des Teams für Schauplätze dergestalt, dass wir uns selbst als Mitglieder derselben Abteilung betrachten. Als Leveldesigner arbeiten wir eng mit den Gameplay- und Questdesignern zusammen. Und da kommt es wirklich darauf an – manchmal erstellen wir Schauplätze, weil es das Gameplay erfordert, oder weil eine Quest einen neuen Schauplatz benötigt. Für uns ist es wichtig, dass sowohl Quests als auf Gameplay auf natürliche Weise mit dem Schauplatz interagiert und sich gegenseitig unterstützt. Es hat keinen Zweck, einen Schauplatz zu haben, der eine andere Geschichte erzählt als das, was die Quest vermitteln will, und ebenso wenig hat es keinen Zweck, einen Schauplatz für einen Kampf zu haben, der einfach zu eng ist und zu viele Objekte beinhaltet, die im Weg sein könnten und sowohl Geralt als auch das Monster im Kampf behindern könnten. Erst wenn all das in einem positiven Sinne zusammen kommt, dann erst entsteht Magie.
Könntest du uns kurz durch einen typischen Arbeitstag als Leveldesigner geleiten?
Uh, einen typischen Tag. Ok, ein typischer Tag heute unterscheidet sich sehr von dem von for einem halben Jahr oder gar einem Jahr. Es hängt wirklich davon ab, in welchem Status der Entwicklung wir gerade sind. Und selbst dann können alle möglichen Arten von Dingen passieren. Erst vor kurzen verbrachte ich einige Tage damit, bei der richtigen Ausleuchtung von Novigrad und einigen Dörfern zu helfen. Offensichtlich haben wir dieses dynamische Tag-Nacht Ding und die Leute möchten die Umgebungen bei Nacht sehen. Mal dir das mal aus. Gerade eben arbeiten wir viel am Ausbügeln von Bugs und selbst diese werden immer weniger und immer geringfügiger. Früh in der Entwicklung waren wir viel mit dem Erstellen von Maps und Skizzen und dem Vorbereiten von Designdokumenten für die Regionen in unserer Spielwelt beschäftigt. Dann schritten wir voran und begannen die erste Ladung interessanter Örtlichkeiten zu implementieren. Darauf folgten viele Iterationen. Durch das Testen im Spiel wissen wir, welche Dinge gut funktionieren und welche weniger. Dementsprechend müssen Änderungen vorgenommen werden. Man erstellt mehrere Versionen von Ausschmückungen von Schauplätzen und irgendwann erreicht man die endgültige Qualität. Standards entwickeln sich weiter, wenn man mehr und mehr großartige Technik „freischaltet“, wenn besser aussehende Assets erstellt werden. Das führt dazu, dass man manchmal mehrere Versionen mit der endgültigen Qualität machen kann.
Dann gibt es da noch andere Situationen…manchmal sieht ein Schauplatz richtig gut aus aber aus irgendeinem Grund fühlt er sich beim Spielen nicht gut an. Oder er sieht gut aus, könnte aber interaktiver sein, etc. etc. Wirklich alle möglichen Arten von „Versionen“.
Kannst du einige der (Software)Werkzeuge benennen, die du als Leveldesigner täglich nutzt?
Ich benutze Photoshop recht regelmäßig. Einen Schreibblock und einen Stift und natürlich – unsere eigene Engine REDEngine 3. Darüber hinaus benutze ich die Kaffeemaschine mehrmals am Tag. Spotify ist auch sehr wichtig. Es ist lustig: Als ich an einigen Schauplätzen arbeitete, spielten gewisse Musikstücke in meiner Playlist – und wenn ich diese Schauplätze jetzt anschaue, kann ich die Songs hören. Es ist ein interessantes Phänomen, dass man bestimmte Stimmungen, Bilder, Musikstücke und sogar Gerüche mit Schauplätzen, die man kreiert hat, verknüpft. Ich habe mit Peter Gelencser (Senior Leveldesigner) darüber gesprochen und offenbar geht es nicht nur mir so!
Was sind einige der Tricks, die du benutzt, um sicherzustellen, dass ein Spieler einen bestimmten Aspekt des Spiels wie etwa eine interessante Örtlichkeit, an der du gearbeitet hast, sieht und wertschätzt?
Ok, ich könnte jetzt ewig darüber sprechen, wie sehr mich das fasziniert. Vielleicht ist es für Leute, die sich mit Spieleentwicklung nicht auskennen, zumindest nicht hier bei CDPR, überraschend zu erfahren, dass wir eine Menge traditioneller Techniken zur Bildkomposition benutzen, vergleichbar zu denen, die Maler nutzen würden. Wenn man zum Beispiel eine Böschung hinaufsteigt, wird man mit einer schönen Aussicht begrüßt. Der Ausblick würde speziell für diese eine Perspektive (manchmal auch mehrere) geschaffen sein. Wir spielen mit Formen und Kompositionen und die Augen des Spielers auf Objekte und Schauplätze zu lenken, die wir ihn sehen und erkunden lassen wollen, und in gleicher Weise gehen wir vor, um gewisse Dinge zu verstecken. Die Beleuchtung spielt hier auch eine große Rolle, da einer heller Fleck in der Distanz leicht die Aufmerksamkeit des Spielers auf sich ziehen kann. Das funktioniert ziemlich unterschwellig und wenn man es richtig macht, dann fühlt ihr euch so, als hättest ihr dieses super komplexe Dungeon höchst selbst ergründet, während wir euch eigentlich in Wirklichkeit ständig an der Hand geführt haben! Zumindest so lange, bis ihr euch um 180° dreht und in die andere Richtung geht… oder etwa nicht?
Kannst du uns von einem besonders lustigen Bug erzählen, der dir während der Arbeit an Witcher 3 untergekommen ist?
Hm, wir haben in der Tat einen Dateiordner in unserem internen, gemeinsam genutzten Netzwerk, das wir liebevoll „Screens of Glory“ nennen. Ihn zu öffnen kommt im Kern der Öffnung Pandoras Büchse gleich. Das Ausmaß von Schlechtigkeit und Lächerlichkeit in diesem Ordner ist beispiellos. Ich würde mir fast wünschen, dass ihr es sehen könntet, aber gleichzeitig bin ich froh, dass ihr es nicht könnt.
Einmal hatte ich ein Objekt, das plötzlich die Sicht in einer Dialog-Zwischensequenz blockiert hat. Es bewegte sich, was mich noch mehr verwirrte. Erst nach der Zwischensequenz fand ich heraus, dass es tatsächlich eine unserer Katzen war, die sich vor der Kamera bewegt hat. Ich habe einige Zeit gebraucht um herauszufinden, ob es sich dabei um einen Bug oder ein Feature handelt. Realistische Katzen KI, hm?
In der Welt von The Witcher, wer würden die Leveldesigner sein? Welche Einstellung würden sie annehmen? Würden sie Händler sein? Oder vielleicht Zauberer?
Das ist so eine coole Frage und ich kann schon meine Kollegen hören, wie sie sich über mich lustig machen, egal was ich hierauf antworte, haha.
Hast du irgendwelche Tipps für jemanden, der sich mit Leveldesign beschäftigen will? Angenommen er hat keinerlei Erfahrung und weiß nicht, wie oder wo er anfangen soll.
Erstelle etwas. Zunächst einmal solltest du wirklich versuchen herauszufinden, ob das wirklich etwas für dich ist. Also fang einfach an und erstelle etwas. Versuche für ein Spiel, das dir gefällt, Mods zu erstellen. Spiele mit den Werkzeugen herum. Vielleicht hast du Freunde, mit denen du gemeinsam etwas erstellen kannst. Vielleicht willst du etwas ganz Bestimmtes machen. Es ist wichtig, etwas zu haben, das man vorzeigen kann. Die Leute wollen sehen, wie du denkst, wie du arbeitest. Der beste Weg, das herauszufinden, besteht darin, Arbeiten von dir anzuschauen. Auf was auch immer du dich fokussierst, seien es Maps für einen Shooter oder einen Echtzeitstrategietitel oder ein Dungeon für ein Rollenspiel, stelle sicher, dass du es vorher durchdacht hast, und vor allem: ziehe es durch. Es hilft, seine Arbeit zu dokumentieren, nicht nur für sich selbst sondern auch für andere, um zu verstehen, wie und warum du so vorgegangen bist, wie du vorgegangen bist. Fange klein an und versuche nicht etwa, als dein erstes Projekt gleich eine Total Conversion auf die Beine zu stellen.
Du bist bekannt für deine erstaunliche Frisur. Wie schaffst du es, deine Haare in so einem makellosen Zustand zu halten? Sind Hexergeheimnisse involviert?
Ja, ich wirke einfach Aard gegen mein Gesicht jeden Morgen und sprühe Haarspray auf jedwedes Ergebnis, das ich erhalte. Ich habe früh gelernt, dass man Kontaktlinsen NACH dem Aarden einsetzen sollte und nicht davor.
Wird fortgesetzt...