1. Hallo Philipp - erzähl uns doch mal was über dich. Wo kommst du her und wie bist du bei CD Projekt Red gelandet? Das gibt es doch eine lustige Geschichte dazu.
Ich komme aus dem kleinen Dorf Benzenzimmern in Baden-Württenberg und habe gerade in Bayern Archäologie studiert, als ich hörte, dass CD Projekt Tester für das Redkit, ein Modkit für The Witcher 2, gesucht hat. Da ich ein großer Fan der Spiele war und schon immer gerne eigene Levels mit Editoren gebaut habe (angefangen mit Age of Empires 2), habe ich mich einfach mal beworben, hatte Glück und durfte das Modkit ausprobieren. Da ich mein eigenes großes Witcher-Abenteuer basteln wollte, habe ich dann gleich angefangen, fleissig Levels zu bauen. Am Ende der Testphase gab es dann einen Wettbewerb, bei dem ich ein Hexerschwert gewonnen habe, das Silberschwert "Aerondight" aus dem ersten Witcherspiel. Dank der Hilfe von Banan, der bei CD Projekt für das Redkit verantwortlich war, durfte ich dann sogar den Level Design-Test für den Job eines Level-Designers machen, was dann nach einigem Hin und Her dazu geführt hat, dass ich jetzt in Polen sitze und Quest Designer bin. Ganz klassisch eben.
2. Du hast die Witcher-Serie also schon vor deinem Job gespielt?
Ich habe das erste Witcherspiel kurz nach Release gekauft, als ich an einem Laden vorbeigelaufen bin und noch eine vage Erinnerung einer Vorschau zu dem Spiel im Kopf hatte. Es war also ursprünglich nicht mal ein gezielter Kauf. Ich habe mich dann sofort in die Atmosphäre des Spiels verliebt und habe, als ich es dank der Enhanced Edition zum zweiten Mal gespielt habe, mir dann gleich alle erhältlichen Bücher gekauft. Bei The Witcher 2 habe ich dann natürlich die Collector's Edition mit einer Büste von Geralt bestellt, die jetzt einen hübschen Ehrenplatz neben dem Hexerschwert hat.
Bis heute habe ich auch alle Romane gelesen, auch das neue Hexerbuch, das erst letztes Jahr in Deutschland erschienen ist. Die kann ich nur empfehlen!
3. Wie gefällt es dir in Warschau und im Studio? War die Umstellung schlimm oder war alles entspannt?
Warschau und das Studio selbst sind ziemlich genial. Es hat mich auch überrascht, wie einfach ich mit Englisch auskommen kann, obwohl ich natürlich versuche, Polnisch zu lernen. Von daher war die Umstellung gar nicht so schlimm. Und das Essen unterscheidet sich von Deutschland sowieso nicht besonders. Statt Maultaschen esse ich hier eben Piroggi! Die Stadt erinnert mich ein wenig an Berlin. Es gibt viele Orte, die nicht unbedingt offensichtlich sind, bei denen man aber eine Menge Spaß haben kann. Und da das Studio nicht weit vom Zentrum entfernt ist, ist es auch ganz einfach nach Feierband was mit Kollegen zu unternehmen. Die Atmosphäre im Studio ist für gewöhnlich sehr entspannt (außer natürlich an Releasetagen, da kauern alle in Embryonalstellung unter dem Schreibtisch) und angenehm. Außerdem sieht's ganz schick aus! Alles in allem ist es ein sehr angenehmer Ort zum Arbeiten, da es nicht wirklich nach Arbeit aussieht. Deswegen bleiben wir gerne auch etwas länger, da wir Spaß dabei haben, etwas zu tun das wir lieben - und es sich eben einfach nicht wie Arbeit anfühlt.
4. Wann hast du gemerkt, dass dieser Teil der Serie besonders groß und gut wird? Bekommt man sowas überhaupt mit, wenn man täglich an einem Spiel arbeitet?
Im Grunde habe ich das gemerkt, als ich mich am ersten Tag hinsetzen durfte und auf Skellige losgelassen wurde. Natürlich war Skellige damals größtenteils eine Steinwüste mit Ozean, aber das bisschen das da war, war schon beeindruckend. Und niemand im Studio hat mir extra nochmal erzählt, dass wir ein gutes Spiel machen wollen - denn es war sofort klar, dass einfach jeder das perfekte Spiel entwickeln will. Wir durften uns öfters anhören, dass CD Projekt mit Wild Hunt ein Open World-Spiel machen wollte, weil es dem Mainstream gefällt. Im Grunde war es aber so, dass wir einfach immer das Spiel entwickeln, das wir selbst spielen wollen. Und wir hoffen natürlich, dass es anderen Leuten gefällt. Das ist immer das Schöne daran, bei CD Projekt zu arbeiten. Wenn jemand eine tolle Idee hat, die machbar ist, dann bauen wir sie auch ein. Es ist nicht so, dass es nur ein paar wenige Menschen gibt, die Entscheidungen treffen dürfen. Konstruktives Feedback wird stets Ernst genommen, egal von wem es kommt.
5. Kannst du dich an einen besonders schönen oder witzigen Moment während der Entwicklung erinnern?
Besonders gut kann ich mich daran erinnern, als ich, noch ganz neu bei CD Projekt, mir alte Daten und Dokumente zum ersten und zweiten Witcher-Spiel angesehen habe und ich eine alternative Story zu The Witcher 2 gefunden habe, ganz andere Level oder Monster, Charaktere, etc. Aber als Questdesigner, speziell als jemand der vorher nicht profesionell als Spieleentwickler gearbeitet hat, war es für mich ein großartiger Moment, das erste Mal einen Schauspieler einen Dialog sprechen zu hören, der aus einer Quest stammte, die ich mir ausgedacht hatte. Diesen Moment werde ich vermutlich nie vergessen.
Ähnlich war es auch, als ich die Gelegenheit hatte, Priscillas Song ins Deutsche zu übersetzen. Das Lied dann zum ersten Mal zu hören, ist richtig surreal!
Es war auch sehr toll, nach Australien zu fliegen, dort Interviews zu geben und als "Senior Lead Quest Developer" vorgestellt zu werden, was natürlich ein klitzekleines Missverständnis war. Eastereggs wie Tyrion, die "Bovine Defence Force Initiative", ein Geisterschiff oder Geheimgänge in Wyzima einzuschmuggeln, macht auch viel Spaß. Hin und wieder gibt es auch seltsame Momente während der Entwicklung, weil unsere offene Welt verrückt spielt. Während einer gewissen Dialogszene in einer Quest, bei der Schwerter gezogen wurden, flog hin und wieder eine kleine Hütte im Hintergrund in die Luft - aber nur in der Nacht! Die Hütte war mit explosiven Fässern gefüllt die viel später in der Quest explodieren sollten, aber keiner konnte sich erklären, warum es gerade immer in diesem Moment passiert ist. Es hat sich herausgestellt, dass nachts ein alter Mann an der Hütte mit seiner Fackel vorbeigelaufen ist. Immer dann wenn er gesehen hat, dass Schwerter gezogen wurden, hat er es mit der Angst zu tun gekriegt, die brennende Fackel fallengelassen und ist weggerannt. Die Fackel hat dann die Fässer entzündet und den alten Herrn zusammen mit der Hütte in die Luft gejagt.
6. Wie hast du den Release erlebt? Wie fühlt es sich an, sein "Baby" schließlich zu veröffentlichen?
Der Release von Wild Hunt war eine tolle Zeit, aber wir waren auch sehr angespannt. Am Tag als die ersten Tests veröffentlicht wurden, saß das ganze Studio starr vor dem Rechner und jeder konnte nur noch F5 drücken und alle Newsseiten regelmäßig neu laden, bis das Embargo endlich vorbei war. Als der allererste Test, eine perfekte 10 von 10, eintrudelte, hörte man plötzlich nur noch Schreie, Menschen flogen durch die Luft und John Mamais (unser Producer) sprintete durch die Gänge. Ein schönes Gefühl!
7. Du bist ja auch als Gast im Let's Play von Gronkh gewesen - wie kam es dazu? Und sitzt Gronkh wirklich immer nackt vor dem Rechner?
Zu meiner Enttäuschung musste ich feststellen, dass das ganze Treffen in angekleideter Gesellschaft stattfinden würde, aber es war ja auch ganz frisch draußen. Ein paar Tage vor dem Let's Play wurde ich von unserem deutschen PR-Manager Fabian, einem Turnschuh-Liebhaber, gefragt ob ich denn auf sowas Lust hätte. Kurz darauf wurde ich dann auch schon um 5:00 Uhr morgens in den Flieger gesetzt, hatte einen PC und eine wertvolle, voll spielbare Version von Wild Hunt im Handgepäck (leider habe ich auch auf Nachfrage keinen Koffer mit Handschellen bekommen). Nach einem kurzen Mahl ging es dann zusammen mit Fabian in Gronkhs geheime Wohnung, wo wir bis um 4:00 Uhr morgens Kuchen und Pizza gegessen haben und auch ein wenig gespielt haben. Es war sehr lustig! Möglicherweise.
8. Hattest du seit Veröffentlichung Zeit, das Spiel nochmal ganz in Ruhe zu spielen?
Tatsächlich hatte ich noch nicht wirklich Zeit, das Spiel zu geniessen. Ich habe es natürlich schon vor Release durchgespielt, da wir die Quests ja auch testen mussten, aber ich freue mich schon darauf, das Spiel dann mal schön langsam durchspielen zu können und mich von nichts stören zu lassen.
9. Was gefällt dir an Witcher 3: Wild Hunt besonders gut?
Die Story gefällt mir sehr gut, aber ich persönlich mag es auch einfach, in der Welt herumzulaufen und mir anzuschauen, was die Leute so tun, den Vögeln zuzuhören und bei schlechtem Wetter auf Skellige Segeln zu gehen. Ich bin also ziemlich gut darin, einfach nur meine Zeit zu verschwenden. Aber der größte Pluspunkt ist es, das Ende dieser langen Story zu sehen. Ein Ende, bei dem alle wichtigen Charaktere noch einmal zusammenkommen. Genau so hatte ich es mir immer gewünscht.
10. Und was spielst du eigentlich sonst so? Konsole? PC? Was sind da deine Lieblingsspiele?
Ich spiele meist auf meinem PC, habe aber auch eine XBox One zu Hause in Deutschland und spiele manchmal mit meinem polnischen Mitbewohner auf der Playstation 4. Ich spiele so ziemlich alles gern, aber mit Vorliebe Rollenspiele. Mein Lieblingsspiel neben The Witcher ist das erste Halo, das ich damals vor 14 Jahren immer zusammen mit Freunden kooperativ gespielt habe. Ich könnte vermutlich noch heute meine Augen schliessen und das ganze Spiel von Anfang bis Ende vor meinen Augen ablaufen lassen. Allgemein mag ich Spiele mit interessanter Story sehr gerne. Wer gute Stories in Spielen mag, dem kann ich auch Life is Strange empfehlen, das ich erst vor kurzem entdeckt habe und das mir, neben Wild Hunt natürlich, dieses Jahr mit am Besten gefallen hat.
11. An was arbeitest du am Moment? Das muss ja eigentlich Hearts of Stone sein, oder?
Ich arbeite an beiden Expansions, obwohl mein Quest-Fokus auf der zweiten Erweiterung Blood & Wine liegt. Für Hearts of Stone war ich für die Community, also alle Dorf- und Stadtbewohner, zuständig und habe allgemein mit der "Living World" geholfen. Ich durfte auch an Mimik und Gestik der Charaktere in Szenen mithelfen und durfte auch einem der Charaktere meine Pfeifkünste leihen. Wenn's also mit Spieleentwicklung nichts wird, habe ich da immer noch ein zweites Standbein.
In der zweiten Erweiterung Blood & Wine arbeite ich an einigen Quests, eine davon dürfte vor allem Fans der ersten Stunde sehr gut gefallen. Doch mehr will ich dazu noch nicht verraten. Allgemein ist es toll, die Quests in den Erweiterungen zu designen, da wir jetzt alle Systeme in Wild Hunt völlig zum Laufen gekriegt haben und genau wissen, wie wir Dinge angehen können. Während der Entwicklung von Wild Hunt waren wir teilweise auf einer Rennstrecke unterwegs, obwohl wir noch nicht wussten, ob das Rad rund oder eckig sein sollte. Jetzt wissen wir das genau!
12. Kannst du uns da schon etwas mehr verraten? Sollten wir uns drauf freuen?
Diese Woche erscheinen die ersten Preview und News, bis zu den Tests ist es auch nicht mehr lange hin. Ich will wirklich nicht zu viel verraten, aber manche der Quests sind schon jetzt, als Fan der Witcher-Spiele, meine neuen Favoriten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Fans sie lieben werden! Und ja, man darf sich definitiv freuen. Außer man hasst Spaß. Aber wer tut das schon? Wir freuen uns schon alle sehr auf die Reaktionen von Fans, Community und der Presse zu Hearts of Stone.