Trotz der offenkundigen und anerkennenswerten Bemühungen, die ihr in das post-launch development von CP2077 steckt, bleibt dies alles wohl am Ende nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zu tief gehen die Probleme, die der eindeutig überstürzte Release mit sich bringt.
Der folgende Text enthält SPOILER, wer CP2077 noch nicht durchgespielt hat, dem sei zu Vorsicht geraten!
Offen gesprochen...einige Wochen nach Abschluss des Spieles, finde ich immer weniger Gutes in CP2077... zum Teil empfinde ich das Spiel als in der Fachpresse deutlich zu gut bewertet. Selten war ich so enttäuscht von einem Spiel, wie von CP2077. Noch nie so sehr, dass ich mich genötigt fühlte, meinem Frust in Form eines Forumeintrages Luft zu machen. Doch gehen wir ein wenig mehr ins Detail... Auf Bugs und Konsolenprobleme möchte ich dabei überhaupt nicht eingehen, denn diese sind wohl euer geringstes Problem... Die Fehler in CP2077 sitzen vielmehr tief im Kern des Spiels. CP2077 kommt mit vergifteter Substanz. Die Versprechungen im Vorfeld des Releases waren gigantisch, jedem anderen Studio hätte ich von vornherein nicht ein Wort geglaubt. Von euch jedoch stammt TW3, dass bis heute in meinen Augen unerreichte Rollenspielkunstwerk der Superlative. Eine organische Welt, eine flexible und immersive Welt, eine Storyline mit fühlbaren Reaktionen auf die eigenen Entscheidungen und unerwarteten Wendungen der Geschichte. Mit einem gut ausgeglichen Schwierigkeitsgrad von Anfang bis Ende, gewürzt mit spektakulären Bosskämpfen.
Die entscheidende Frage ist nun, was davon finden wir in dem wohl meist erwarteten Spiel des Jahres 2020? Die traurige Antwort... Um ehrlich zu sein leider wohl gar nichts.
Night City ist voll von Immersionsbrüchen, angefangen beim Verkehr in jeder Form, Wagenkolonnen am Horizont, die sich jedoch auflösen und in bestenfalls zwei Fahrzeuge verwandeln, wenn man sich ihnen nähert, eine Fahrzeug KI die unfähig ist eine Alternative Route um ein abgestelltes Fahrzeug zu finden etc etc.... Und die offensichtlich auch nicht zum führen eines Motorrades taugt.
Weiter geht's bei willkürlich spawnenden Polizisten und npcs, sowie einer Gegner-KI, die den Ausdruck Intelligenz eigentlich nicht verdient.
Fühlbare Veränderungen der Welt durch getroffene Entscheidungen? Abgesehen von den news-feeds... Fehlanzeige. Kein einziges (!) quest hat eine fühlbare Konsequenz, dabei bieten so viele dafür an. "Epidystrophy" um ein weniger offensichtliches zu nennen, die Politiker questline um ein augenscheinlich perfektes quest zu benennen, das die ganze Welt von Night City umwerfen könnte. Statt dessen werden fassbare und plotdriving changes bewusst aus der Stadt transferiert (Panam Questline) oder Charaktere komplett entfernt und ihre Geschichte mittels liebloser Nachrichten zuende erzählt (Judys Questline).
Anzahl der Bosskämpfe im Spiel: zwei. Der erste, anspruchsvoll, knackig und rewarding, mit einer scheinbar folgenträchtigen Entscheidung am Ende... Jedoch ohne jede fühlbare Konsequenz.
Der zweite... Ca. 5 Sekunden lang (in meinem Fall) oder direkt als one-shot-fight zu klären, insofern man sich auf die Hand Kanone ausgerichtet hat. Und damit kommen wir zum aus meiner Sicht größten Problem das Cyberpunk 2077 hat. Der Schwierigkeitsgrad und die Verteilung der Fähigkeitspunkte. In meinem Fall verkam das Spiel durch die Nutzung von Smartwaffen, gezielter Ausrichtung auf criticals und Kopfschussschaden ab ca. Level 30 zu einer dauerhaften Moorhuhnjagd mit Auto-aim. Alternativ war es möglich, ein komplettes Gebäude mittels hacking zu räumen, ohne es zu betreten.... Natürlich mit Ausnahme der nachspawnenden Gegner (wieder ein Immersionsbruch). Und weil es nicht reichte, doppelt overpowered zu sein, war es mir auch noch möglich jeden Gegner mit meinen mantis-blades zu two-hitten. So wurde Adam Smasher dann auch zu einer besseren Schießbuden-Figur, die knapp 40 Schuss aus meiner smartgun vertrug und kaum zwei Schritte im Raum gehen konnte, bevor er lag. Wohlgemerkt auf "Schwer". Von den normalen quests und Kartenereignissen reden wir gar nicht erst. CP2077 wurde daher ab Level dreißig vor allem eines : langweilig, anspruchslos und eine fleißarbeit, in der man die meiste Zeit damit verbrachte, von Kartensymbol zu Kartensymbol zu laufen oder fahren um dann in 2,5 Sekunden zwanzig Gegner wegzuschroten und zu looten. Das macht selbst ubisoft in der langweiligsten open World besser.
Als wäre das noch nicht genug, bleiben die offensichtlichen und gnadenlos umfangreichen Inhaltskürzungen zu erwähnen... Welche zum Teil technisch höchst unsauber durchgeführt wurden. Das hirnlose zumauern von Kanalisationseingängen ist da tatsächlich die eleganteste aller Lösungen... Wo ist das tuning von Fahrzeugen? Was macht der offensichtliche zusätzliche skill-tree ohne Funktion im Charakter Menü, war es zuviel verlangt den wenigstens gänzlich zu entfernen? Gleiches gilt für die wallruns die man durchaus noch triggern kann... Was ist aus dem Charaktereditor geworden, der auf der E3 geteasert wurde? Und warum zum Geier wird der spider bot aus balancing Gründen in einem Spiel ohne balancing entfernt? Technisch gibt es das Ding ja in identischer Funktion und Umsetzung bereits in einem nicht namentlich genannten openworld Spiel eines bereits erwähnten Herstellers...
Unter dem Strich fühlt sich Cyberpunk 2077 an wie ein halbes Spiel... Und die Werbekampagne dazu wie ein Sammelsurium an Lügen. Keines der gemachten Versprechen wurde gehalten, nicht nur die Nutzer von Last-gen Konsolen wurden aktiv getäuscht. So traurig es ist, aber die Klagewelle, die euch erreicht ist leider angemessen. CP2077 wird wohl das letzte Spiel von euch im Rahmen der aktuellen Unternehmensstruktur sein und am Ende der Beweis dafür, dass solcherlei Projekte aufgrund ihres Umfangs wohl nicht im akzeptabler Qualität umsetzbar sind.